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Die Kreuzbuche

1. Am Hang des Bechtelsberges, am Wege nach Ottrau

steht eine mächt’ge Buche, auf friedlich stiller Au.
 

2. Einst ward an ihrer Stelle ein Kreuz hoch aufgericht

das Sinnbild christliche Liebe, den Götterglauben bricht.

 

3. Da wirds den alten Ahnen recht schwer geworden sein,

das man der Göttin Berchta kein Opfer konnte weihn.

 

4. Doch auch das Hexentreiben in der Walpurgisnacht

verlor an ihrem Schrecken, da nun das Kreuze ragt.
 

5. Doch als nach vielen Jahren das Kreuz zerbrochen lag,

da bracht die Buchenecker ein Pflänzlein zart zu Tag.
 

6. Und aus dem jungen Pflänzlein wuchs ein Baum ins Land,

der nun und immer bleibend die Kreuzbuch bleibt genannt.

 

7. Wie viele Schlüsselblumen sind unter ihr verblüht

und wie viel Vögel sangen um sie ihr Frühlingslied.

 

8. Und wie viel Herbstdesstürme zerzausten ihr ihr Laub

und wie viel Eulen flogen zu ihr mit ihrem Raub.

 

9. Wie viel Geschlechter gingen seitdem an ihr vorbei

in kummervollen Tagen und auch im Lebensmai.

 

10. Und Krieg und Zeitenstürme, wo manches Herz schlägt bang

die hat sie überdauert, die Alte an dem Hang.

 

Heinrich Ehrhardt, Berfa


Die Kreuzbuche

1. Jahrhunderte zogen an dir vorbei.

Du sahst Geschlechter kommen und gehen.

Du standst wie ein Fels im Strome der Zeit

im ewig wechselnden Weltgeschehen.
 

2. Bei unseren Ahnen galtest du

als heilig seit Vorvätertagen

und um deine Wipfel rankten sich

wie Kränze die Mythen und Sagen.
 

3. Wohl mehrere hundert Male sahst du

den Frühling erblühn und schwinden.

Von Menschenglück und von Herzeleid

kannst du uns viel sagen und künden.

 

4. Fast schien es, als ob des Lebens Gesetz

vom ewigen ‚Stirb und Werde’

an deinem Dasein vorüberschritt,

so wuchtig standst du auf der Erde.
 

5. Doch stetig nagte der Zahn der Zeit

auch an deiner knorrigen Rinde,

bis endlich in einer Wetternacht

ein Opfer du wurdest dem Winde.
 

6. Zersplittert, geborsten stehst du nun da

mit trauriger stummer Gebärde,

als ein Mahnmal der Vergänglichkeit

inmitten der grünenden Erde.
 

Kaspar Stumpf
Oktober 1946